Die letzten Monate Hasankeyfs, Türkei
Seit den späten 1970ern plant die türkische Regierung das Südanatolien-Projekt (GAP Project). Ziel ist es, günstige Energie zu erzeugen und damit auf die steigenden Bedürfnisse des Landes zu reagieren. [3]
Insgesamt sollen 22 Staudämme und 19 Wasserkraftwerke entlang des Euphrat und Tigris gebaut werden, womit es zu einem der größten Bauvorhaben in der Geschichte der Türkei zählt.
Der Fluss Tigris entspringt im Osten der Türkei und mündet nach 1900 Kilometern in den Persischen Golf. Die Flusslandschaft gehört zu einer der ältesten Kulturlandschaften weltweit mit Siedlungen von Assyrern, Persern, Römern, Arabern, Seldschuken und Osmanen, eine dieser ist Hasankeyf. [1] Diese werden schon bald der Geschichte angehören, wenn das drittgrößte Wasserkraft-Projekt des GAP, der Ilisu Damm, realisiert wird. Mit einer Kapazität von 1.200 MW des Damms wird das dazugehörige Reservoir 300 km² des Tigris Tals [3] und somit nicht nur Hasankeyf sondern auch 200 weitere Ortschaften überschwemmen. [1]
So liegt es nahe, dass mit dem Bekanntwerden der Planung auch eine starke Protestbewegung entstand. Die Projektidee an sich wurde schon in den 50er Jahren initiiert, doch erst in den späten 90ern genehmigt. [3] Immer wieder kam es zu Verzögerungen im Bau und immer wieder stand das Projekt stark unter Kritik.
Eigentlich sollte der Bau bereits 2002 beginnen, scheiterte aber an massiven Protesten. Drei Jahre später startete die Regierung das Projekt trotz alledem, diesmal mit deutschen, schweizerischen und österreichischen Firmen. [2]
2006 legte Präsident Tayyip Erdogan endgültig den Grundstein des Damms und besiegelte damit die Realisierung des Damms. [1]
Im Januar 2013 verurteilte das Verwaltungsgericht von Diyarbakir das Projekt, da es die Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht ordnungsgemäß durchzuführen vermochte. Die türkische Regierung hat das Gesetz geändert, um die Entscheidung zu ignorieren und das Projekt weiterzuführen. Im September 2014 haben Österreich, Deutschland und die Schweiz die Unterstützung für Exportkreditgarantien an Bauunternehmer*innen für das Projekt zurückgezogen, weil die Entwickler*innen die ökologischen und kulturellen Bedingungen der Weltbank nicht erfüllen konnten. Im Frühjahr 2015 zerstörte die PKK Guerilla (die Arbeiterpartei Kurdistans) Maschinen und ein Rohr von der Baustelle. Die Regierung reagierte mit einer zunehmenden Militarisierung des Geländes. Den bereits 1.000 stationierten Soldaten*innen auf dem Gelände wurden weitere 600 hinzugefügt. Außerdem zwang die verstärkte Opposition durch die lokale Bevölkerung die Unternehmen dazu, nicht weiter Arbeiter*innen aus der Region einzustellen. [3]
Doch der gigantische Damm steht und die ersten zwei von insgesamt sechs Turbinen zur Stromerzeugung sind installiert. Zwischenzeitlich wurde auch diskutiert, den Damm insgesamt kleiner zu dimensionieren und dadurch hätte Hasankeyf gerettet werden können. Doch auch die Menge des produzierten Stroms wäre stark zurückgegangen und der Bau insgesamt unrentabel geworden. [2]
So bleibt der Plan der gleiche wie zuvor und die Gegenwehr der örtlichen Bevölkerung wird immer stärker. Auch der Versuch von Umweltschützer*innen den Ort Hasankeyf auf die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste zu setzen, um das Bauprojekt des Dammes zu stoppen, war vergebens. [1]
Trotz Demonstrationsverboten und einer massiven Polizeipräsenz in letzter Zeit finden sich immer wieder erneut hunderte Aktivisten*innen, um gegen die Flutung zu protestieren. Viele hoffen immer noch auf ein plötzliches Wunder, doch 2018 soll es nun wirklich soweit sein. [2] Geplant ist es Hasankeyf vorher neu zu bauen, auch die archäologischen Überbleibsel sollen wie in einem archäologischen Disneypark nach Neu-Hasankeyf gebracht werden und dort ausgestellt werden. [1]
Neben den starken Problemen in der Türkei hat der Damm ebenso extreme Auswirkungen in weiteren Ländern, durch die sich das Flussbett des Tigris zieht. Dazu zählt Irak. Mit dem Staudamm würde die Wassermenge des Tigris, die den Irak erreicht, um 40% abnehmen. Zudem wird sich die Wasserqualität verschlechtern und die Salzwasser-Intrusion erhöhen. Die Bevölkerung könnte das Wasser nicht mehr trinken. [5] Aktivisten*innen warnen daher vor dem Untergang der Marshlands Iraks, wenn sie nicht mehr angemessene Mengen an Wasser erhalten. [4] Zudem gibt es mit Bagdad darüber kein Abkommen – Komplikationen sind also vorprogrammiert. Doch die irakische Zentralregierung ist zur Zeit schwach. Daher wird es kaum möglich sein von ihrer Seite die Schließung des Damms zu verhindern [2]
So wird die irreversible Zerstörung von Land und Kultur akzeptiert. Alles für einen Damm, der eine Lebenserwartung von weniger als 100 Jahren haben soll.[5]
Location
Turkey, Tigris River, Dargeçit/Mardin (https://www.google.de/maps/place/Ilisu+Dam/@37.5322505,41.8472822,17z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x400bc06c859f6dfb:0xb54bf8a74f5dfcc2!8m2!3d37.5322463!4d41.8494762)
Environmental impact
- Water pollution
- Land degradation (e.g. drought, soil contamination, erosion and desertification)
- Biodiversity loss – Ecosystem destruction
- Alteration of landscape aesthetics and built heritage
Ethical/ legal issues
- Indigenous land, culture and rituals
- Democratic participation to decision-making on community and national affairs
Information sources & materials
Online books and newspaper, magazine, encyclopedia, or blog articles
[1] Fraunberger, Richard (2015). Ein Ort vor dem Verschwinden. Available URL: http://www.sueddeutsche.de/reise/hasankeyf-in-der-tuerkei-ein-ort-vor-dem-verschwinden-1.2535297, [Accessed Date 10-10-2017].
[2] Gottschlich, Jürgen. Der letzte Sommer in Hasankeyf. 26.09.2017.http://www.taz.de/!5448033/
[3] Greyl, Lucie (2017). Ilisu Dam Project, Turkey. Available URL: http://ejatlas.org/conflict/ilisu-dam-project-turkey, [Accessed Date 10-10-2017].
[4] Aranco, Tim (2016). Turkish Dam Project Threatens to Submerge Thousands of Years of History. Available URL: https://www.nytimes.com/2016/09/02/world/europe/turkey-hasankeyf-ilisu-dam.html, [Accessed Date 10-10-2017].
[5] Letsch, Constanze (2017). Turkey’s 12,000-year-old Hasankeyf settlement faces obliteration. Available URL: https://www.theguardian.com/world/2017/aug/29/turkeys-12000-year-old-hasankeyf-citadel-faces-obliteration, [Accessed Date 10-10-2017].
Contributor(s)
Miriam Milzner, [email protected], intern at arche noVa e.V., Germany
Rita Trautmann, [email protected], arche noVa e.V., Germany
Home › Forums › The last months of Hasankeyfs, Türkey